Wacholder (Juniperus communis)

Ein stacheliger Geselle in der Westruper Heide

Wandern Sie mit mir durch das bizarre Wäldchen im Nordosten der Westruper Heide, ich möchte Ihnen einen ganz besonderen Heidebewohner vorstellen.

 

Die stachligen Gesellen sind Zypressengewächse: Wacholderbäume oder -büsche (das können Sie gerne halten wie Sie mögen). Der erste Teil seines Namens ist unklar, ist vielleicht aus der Althochdeutschen Silbe 'wachal' abgeleitet. Sie bedeutet so viel wie wach, munter, frisch; vermutlich wurde hier sie im Sinne von 'immergrün' verwendet.


Der zweite Teil könnte möglicherweise von Holder = Holunder kommen. Mancherorts wird der Wacholder auch Kniste- oder Knastebusch genannt. Hat aber nichts mit „Knast“ zu tun, sondern mit dem Laut des Knisterns verbrennender Zweige. Oder er wird als Krammet (Krammetsvogel = Amsel) bezeichnet... Es gibt über 150 deutsche Bezeichnungen des Wacholders, wer vermag sie alle aufzuzählen oder gar zu erklären. Auch beim botanischen Namen müssen wir mutmaßen. Er leitet sich ev. aus dem „iuveni-paros“ab, also (zu) früh gebärend. „Communis“ heißt „gemein“, nicht weil er ganz gemein piekst, sondern weil die Botaniker unter dem Begriff „gewöhnlich“ verstehen.

Schauen Sie sich die kurzen, stacheligen Zweige genau an, dann entdecken Sie, dass er ein „Mercedes“ unter den Gehölzen ist: Die dreiquirligen Blattnadeln, gut in der Wachshülle geschützt, zeigen es. Der weiße Streifen auf der Oberseite besteht übrigens aus winzigen Spaltöffnungen für den Luft- und Wasseraustausch. Knospen spart sich dieser Lebenskünstler. Ein paar mickerige Nadeln schützen die Triebspitze - das ist schon alles. So kann der Wacholder sogar im Winter weiterwachsen, wenn es mal länger warm genug ist. Da können die anderen heimischen Gehölze nicht mithalten. Und so wachsen die Seitentriebe wie und wann sie wollen. Nach etwa 4 Jahren fallen die Nadeln ab, manchmal mitsamt dem ganzen Zweig. Geschickt gemacht vom Wacholder, nicht wahr?

Die Nadeln des Wacholders stehen, in Dreifachquirlen angeordnet, vom Zweig ab
Die Nadeln des Wacholders stehen in Dreifachquirlen angeordnet vom Zweig ab

Versuchen Sie einmal, Wacholderblüten zu finden. Was Sie im April leicht sehen können, sind die männlichen Blüten. Für die unscheinbaren weiblichen Blüten brauchen Sie eine Lupe. Der Mann schön und gut sichtbar, die Frau eine graue Maus, wie bei den Menschen, oder anders herum?

 

Und genau wie bei den Menschen befruchtet der Mann die Frau. Die Fruchtschuppen verwachsen zu einer fleischigen Masse und schon reden alle von Wacholderbeeren, obgleich die ja botanisch gesehen Zapfen sind.


Bis zur Reife brauchen diese Beerenzapfen drei Jahre! Nicht wie der riesige Apfel, der schon innerhalb weniger Monate fix und fertig zum Aufessen ist. Reife Wacholderbeeren, nennen wir sie einfach mal so, sind blaugrau – die anderen sind im wahrsten Sinne noch grüne Jungs. Sie kennen doch alle Rezepte, in denen Wacholderbeeren ein Muss sind: Sauerkraut, Wildgerichte, Schnaps, Tee und in der Heilkunde...(Wer bietet mehr?). Und weil wir gerade beim Essen sind: Seien sie vorsichtig. Wacholderbeeren sind laut Giftzentrale giftig. Aber das sind Kaffee, Schnaps, ja sogar Petersilie ebenfalls. Ist kein Spaß: Wacholderbeeren sind nichts für Schwangere und Nierenkranke.

Juniperus sabina Frutos y hojas Habitus 2009-7-25 SierraNevada.jpg
Von Javier martin - Eigenes Werk, Gemeinfrei, Link

Außerdem gibt es einen Verwandten, den Sadebaum, Juniperus sabina. Der sehr giftige "Sadebaum" ist auch Hauptwirtspflanze des Erregers vom Birnengitterrost. Dem Wacholder Juniperus communis L, Baum des Jahres 2002, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Das ist das Ergebnis eingehender Untersuchungen des Instituts für Botanik und Pflanzenschutz der Fachhochschule für Gartenbau, Weihenstephan. Der Sadebaum war eine Zeitlang von der Kirche sogar geächtet, weil die Früchte als Abtreibungsmittel genutzt wurden. Nicht selten starben die Frauen an Überdosierung. Bitte verwechseln Sie nicht den Wacholder mit dem Sadebaum.


Weil wir gerade bei der Nachkommenschaft waren, schauen wir uns einmal die des Wacholders an. Die reifen Beerenzapfen sind reich an Inhaltsstoffen wie Öl und Zucker (30%) und werden von Vögeln gern aufgenommen. Sie scheiden an anderer Stelle die unverletzten Samen (schauen Sie mal nach, es müssten 3 Stück sein) wieder aus (mit Lunchpaket) und ein neuer Wacholder kann sich entwickeln.

 

Aber er tut es nicht!

 

Warum das so ist, hat man noch nicht herausgefunden. So schreibt Heike Kafhues im Jahr 2004: „Bodenbeschaffenheit, Schädlingsbefall und die Abnahme von Mykorrhiza-Pilzen an den Wacholderwurzeln durch erhöhte Luftstickstoff-Einträge werden für geringe Keimungsraten, hohe Keimlingssterblichkeit und Vertrocknungserscheinungen verantwortlich gemacht.“ Und nicht nur hier in der Westruper Heide stehen wir vor dem Problem. Überall in Deuschland beklagen die Naturschützer Wipfeldürre, Absterben und fehlende Verjüngung. Das ist bitter für einen Baum, der einstmals als unsterblich galt.

 

Seit einigen Jahren bildeten sich hier und da Jungpflanzen, von denen nur wenige überlebten. Möglicherweise litten sie unter Schädlingen oder wurden von Gras überwuchert. Ob sie von den Kaninchen gefressen wurden oder von den Ziegen, die mit der Heidschnuckenherde die Heide beweiden? Dafür spräche, dass in Zeiten, in denen die Chinaseuche unter den Kaninchen grassiert, mehr Wacholderkeimlinge gefunden werden. Um die wenigen Wacholderkeimlinge vor Verbiss zu schützen, wurden sie in Drahtkäfige „eingesperrt“. Unbekannte „Befreier“ rupften diese aber wieder heraus und haben sie in den nahe gelegenen Heideweiher geworfen. Mit dem zweifelhaften Erfolg, dass sich Tiere darin verfingen und elend zugrunde gingen.

 

Ob Verbiss oder fehlender Mykorrhiza-Pilz, es scheinen mehrere Faktoren verantwortlich zu sein. Niemand hat bislang wirklich zufriedenstellende Antworten auf die Frage der ausbleibenden Wacholderverjüngung gefunden.

 

Damit wir den Wacholder über die Krisenzeit hinweg bekommen steht er schon seit Jahren unter Naturschutz. Nehmen Sie sich also bitte keine Äste oder Zweige mit nach Hause um sich einen Spazierstock zu schnitzen. Denn eigentlich eignet sich das zähe Holz prima dazu. Und wenn Sie mal wieder Lust auf ein Pfeifchen haben dann nehmen Sie doch eines aus Wacholderholz, aber nur von Plantagen!. Sie rauchen nicht? Na um so besser, dann schauen Sie nach Bleistiften, Möbeln vom Kunsttischler, Ess- und Trinkgeschirr oder nach mit Wacholder geräuchtertem Fleisch und Fisch aus...


Auf intensiv beweideten Flächen sorgt mancher Wacholder für die Verbreitung anderer Baumarten. Eberesche, Birke oder Eiche entwickeln sich oft nur im Schutz der Wacholderkronen, die im Alter schon mal auseinanderfallen. So spielt der Wacholder die wichtige Rolle einer Amme in der Waldentwicklung. Fehlt die Beweidung auf diesen Magerstandorten verbuscht die Heide schon innerhalb weniger Jahre. Im Schatten anderer Bäume verkümmert der Wacholder und büßt seine stattliche Majestät ein.

 

Auch das Ausgraben für den heimischen Garten ist verboten. Abgesehen davon hätten Sie bei diesen Exemplaren gewiss Ihre Schwierigkeit mit der Pfahlwurzel. Und ich wette mit Ihnen, dass Sie dem Wacholder keinen so schön durchlässigen, warmen Sandboden und soviel Weite, Wind und Licht bieten können wie die Westruper Heide. Das braucht er nämlich dringend und dazu jenen Mykorrhiza-Pilz – aber den habe ich ja schon erwähnt.

 

Wacholderzweig mit reifen und unreifen Früchten

Diesen Zweig habe ich übrigens nicht hier abgeschnitten, sondern aus meinem Garten mitgebracht. Denn ich wollte Ihnen zum Abschluss etwas mit auf den Weg geben. In Sagen, Märchen und Legenden wird der Wacholder nämlich immer als Schutz gesehen. Am Haus gepflanzt und sogar auf dem Friedhof soll er vor bösen Geistern und Hexen schützen. Diesen Schutz und gute Wünsche gebe ich Ihnen nun gerne mit, indem ich Sie nach alter Sitte mit einem Wacholderzweig berühre.

 

Vielleicht treffen wir uns ja bald wieder im Wacholderwald der Westruper Heide.

 

(Dieser Artikel wurde von Carola De Marco für das Halterner Jahrbuch 2012 verfasst)